24.08..202

Unwirksamkeit einer [[Kündigung]] wegen widersprüchlichen Verhaltens

LAG Düsseldorf, Urteil vom 10.04.2024 – 12 Sa 978/23

Die Probezeit gilt im Arbeitsrecht als Phase der Erprobung und bietet dem Arbeitgeber die Möglichkeit, sich mit verkürzter Kündigungsfrist vom Arbeitsverhältnis zu trennen. In dieser Zeit gilt regelmäßig noch kein allgemeiner Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 1 KSchG. Dennoch bedeutet das nicht, dass jede Probezeitkündigung automatisch wirksam ist. Das LAG Düsseldorf hat mit einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass auch während der Probezeit der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gilt – und eine Kündigung bei widersprüchlichem Verhalten des Arbeitgebers unwirksam sein kann.

 

Die Klägerin war als Pflegefachkraft bei einer sozialen Einrichtung beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sah eine sechsmonatige Probezeit vor. Nach anfänglicher Krankheit und anschließender Einarbeitung wurde die Klägerin mehrfach gelobt und sogar für eine Position mit größerer Verantwortung vorgesehen. Kurz darauf erhielt sie jedoch überraschend die Probezeitkündigung.

Zur Begründung führte die Arbeitgeberin an, die Klägerin sei „nicht teamfähig“ und habe „sich nicht in die Arbeitsabläufe eingefügt“. Die Arbeitnehmerin hielt die Kündigung für rechtsmissbräuchlich und erhob Kündigungsschutzklage, gestützt auf § 242 BGB.

 

Das LAG Düsseldorf gab der Klage statt. Zwar finde der Kündigungsschutz nach dem KSchG während der Probezeit keine Anwendung. Dennoch müsse jede Kündigung den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben entsprechen. Eine Kündigung könne daher rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein, wenn sie im Widerspruch zu einem vorangegangenen Verhalten des Arbeitgebers stehe.

Das Gericht stellte fest, dass die Arbeitgeberin der Klägerin mehrfach signalisiert hatte, mit ihrer Leistung zufrieden zu sein. Sie habe ihr sogar eine Leitungsfunktion in Aussicht gestellt. Die anschließende Kündigung innerhalb der Probezeit sei daher objektiv widersprüchlich und verletze das Vertrauensprinzip.

Entscheidend sei, dass die Klägerin aufgrund des vorherigen Verhaltens der Arbeitgeberin darauf habe vertrauen dürfen, dass ihr Arbeitsverhältnis fortgesetzt werde. Dieses Vertrauen habe der Arbeitgeber durch sein widersprüchliches Handeln enttäuscht. Ein solches Verhalten sei nach § 242 BGB treuwidrig.

Das LAG betonte zugleich, dass nicht jede kurzfristige Meinungsänderung des Arbeitgebers zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Nur wenn objektiv ein gravierender Widerspruch zwischen Lob und Kündigung besteht und der Arbeitnehmer berechtigt auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vertrauen durfte, liegt ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil verdeutlicht: Auch während der Probezeit gilt kein „rechtsfreier Raum“. Arbeitgeber können zwar leichter kündigen, müssen aber konsistent handeln. Wer eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer kurz zuvor noch ausdrücklich lobt, befördert oder für eine höhere Position vorschlägt, kann sich nicht ohne weiteres auf eine plötzliche Probezeitkündigung berufen.

Für Arbeitgeber bedeutet das, dass Kommunikations- und Personalentscheidungen während der Probezeit gut dokumentiert und abgestimmt sein sollten. Für Arbeitnehmer zeigt das Urteil, dass selbst innerhalb der Wartezeit rechtliche Schutzmechanismen greifen können, wenn das Verhalten des Arbeitgebers offensichtlich widersprüchlich ist.

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