14.07.2025

Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich

BAG, Urteil vom 03.06.2025 – 9 AZR 104/24

 

Immer wieder versuchen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs alle wechselseitigen Ansprüche endgültig zu klären – einschließlich offener Urlaubsansprüche. Doch kann ein Arbeitnehmer wirksam auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten, wenn dies in einem Prozessvergleich vereinbart wird? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu nun erneut Stellung genommen und eine klare Grenze gezogen.

Der Kläger war mehrere Jahre als Betriebsleiter beschäftigt und seit Beginn des Jahres 2023 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Im Rahmen eines gerichtlichen Beendigungsvergleichs einigten sich die Parteien auf eine Abfindung von 10.000 € und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2023. Unter Ziffer 7 des Vergleichs hieß es: „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“

Der Kläger verlangte später die Abgeltung seines nicht genommenen gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023 (sieben Tage, 1.615,11 €). Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt – die eingeleitete Revision der Arbeitgeberin blieb beim BAG ohne Erfolg.

 

Das BAG stellte klar: Der Kläger hat gemäß § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines nicht erfüllten gesetzlichen Mindesturlaubs. Die im Prozessvergleich enthaltene Erklärung, Urlaubsansprüche seien „in natura gewährt“, sei gemäß § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam, soweit sie einen Verzicht auf gesetzlichen Mindesturlaub darstellt.

Ein solcher Urlaubsverzicht ist nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unzulässig – unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer eine finanzielle Gegenleistung erhält oder nicht. Weder der Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub noch der Anspruch auf Abgeltung dieses Urlaubs dürfen im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden.

Auch die Berufung der Arbeitgeberin auf einen Tatsachenvergleich half nicht weiter. Ein solcher setzt voraus, dass zwischen den Parteien eine tatsächliche Unsicherheit über das Bestehen eines Anspruchs besteht und diese durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird. Da der Kläger unstreitig seit Jahresbeginn arbeitsunfähig war, bestand keine Unklarheit über den Urlaubsanspruch – somit lag kein Tatsachenvergleich vor.

Schließlich scheiterte auch der Einwand von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Der Arbeitgeber könne sich nicht darauf berufen, auf den Bestand einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung vertraut zu haben.

 

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung bestätigt die strikte Linie des BAG:
Ein Verzicht auf gesetzlichen Mindesturlaub ist im bestehenden Arbeitsverhältnis unzulässig – selbst dann, wenn er in einem gerichtlichen Vergleich vereinbart wird. Arbeitgeber können Urlaubsansprüche also nicht durch pauschale Klauseln („Urlaub ist in natura gewährt“) ausschließen oder abgelten, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht.

Erst mit der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht der Abgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch. Erst dann kann über diesen wirksam verfügt werden, etwa durch einen Vergleich oder eine Ausgleichsquittung.

Für die Praxis bedeutet das: Arbeitgeber sollten in gerichtlichen oder außergerichtlichen Beendigungsvergleichen klar zwischen Abfindung und Urlaubsabgeltung unterscheiden. Eine rechtssichere Formulierung könnte etwa vorsehen, dass der Urlaub „abgegolten“ oder „bereits abgegolten durch Zahlung in Höhe von … Euro“ ist – sofern das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits beendet ist.

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